Wenn die Diskussion in der Gesellschaft betrachtet wird, dann bekommt man oftmals das Gefühl, dass Macht und Machtmissbrauch gleichgestellt sind bzw. das Gleiche sind.
Diese Einstellung und Gleichmacherei befremdet mich. Denn es gibt verschiedenste Bereiche, wo Menschen die mit ihrer Stellung verbundenen Pflichten wahrnehmen müssen und damit Entscheidungen fällen müssen. Damit üben sie die Macht aus gemäss ihrer Kompetenz und ihrer Aufgabe - und es hat rein gar nichts mit Machtmissbrauch zu tun. Als Beispiele sind hierfür genügt: a. der Lehrmeister, der dem Lehrling zeigt, wie was gemacht werden muss und was nicht geht. Der Lehrmeister, der vom Lehrling eine bestimmte Arbeitseinstellung erwartet, ein pünktliches Erscheinen, ein Ausführen der Aufgaben gemäss der Lehrlingsausbildung. b. der Vorgesetzte, der hinweist auf die Umsetzung und Einhaltung des Pflichtenheftes. Es ist die Pflicht des Vorgesetzten dies einzufordern und dabei den Betrieb so am Laufen zu halten. Was würde geschehen, wenn jede/r Angestellte/r machen würde, was er/sie will. Des Öfteren werden Beispiele wie a oder b und ähnliche als Machtmissbrauch dargestellt. Doch faktisch sind es nichts anderes als die Wahrnehmung der Pflicht. Die Pflicht des Vorgesetzten, der Personalführung, der Arbeitsfelder und der Auftragsumsetzung. Vor vielen Jahren - an einer Weiterbildung von Seelsorgenden im Bistum Chur zum Thema Konflikt und Konfliktmanagement im Team - war die Frage in einer Session: Wie wird Arbeit organisiert und wie werden Arbeitsaufträge erteilt. - Ein Teilnehmer fragte dann den Kursleiter: "Wie oft muss mein Vorgesetzter mir sagen, dass ich eine Arbeit zu machen habe?" - Die Antwort war: "1x, und dann gibt es eine Abmahnung und dann die Kündigung. So ist es in der Privatwirtschaft." - Die Bemerkung des Fragestellers war: "Wir sind doch ChristInnen und in der Bibel heisst es 7x77x". - Die Rückfrage des Referenten war: "Wollen Sie eine/n Chef/in, der die Verantwortung wahrnimmt oder ist der/die Angestellte der Chef der/die Bestimmende?" → Wir leiden in der heutigen Zeit darunter, dass Führungspersonen und Personen, die in Leitungsfunktionen gewählt oder bestimmt wurden, Angst haben ihre Aufgabe zu erfüllen und zu entscheiden. Angst haben, dass man ihnen Machtmissbrauch vorwirft, obwohl sie nichts anderes machen als ihre Aufgaben und Pflichten wahrzunehmen. So leiden wir darunter, dass viele Menschen zwar in führenden Stellungen sind, jedoch nicht mehr das Rückgrat haben hinzustehen und zu entscheiden. Es gibt auch einen Machtmissbrauch indem Pflichten nicht wahrgenommen werden.
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